Theodor Kirchner

 

10.12.1823 – 18.9.1903

 

Biographie

Literatur

Werkverzeichnis

Diskographie

 

© Copyright 1999 by Klaus Zehnder-Tischendorf

E-Mail: kzehnder@bluewin.ch

 

 

 

BIOGRAPHIE

 

Der Komponist, Pianist und Organist Theodor Fürchtegott Kirchner wurde am 10. Dezember 1823 in Neukirchen bei Chemnitz in Sachsen als Sohn eines Lehrers geboren. Der frühreife Knabe betätigte sich als Klavier- und Orgelspieler und fiel bereits als 14jähriger Robert Schumann auf. Auch Felix Mendelssohn riet seinem Vater, den Sohn zum Musiker ausbilden zu lassen. Dies geschah ab 1838 bei dem Organisten Carl Ferdinand Becker und bei Julius Knorr in Leipzig. In dieser Zeit begann Kirchners enge Freundschaft mit Schumann, später auch mit dessen Braut Clara. Als bereits fertiger Musiker trat Kirchner 1843 als erster Schüler ins neugegründete Leipziger Konservatorium ein. Kurz zuvor erschienen seine Lieder op. 1. Noch im gleichen Jahr folgte Kirchner jedoch einem Ruf als Organist an die Stadtkirche Winterthur: die Schweiz sollte für rund drei Jahrzehnte seine zweite Heimat werden. Da das schmale Gehalt den Lebensunterhalt nicht decken konnte, war Kirchner, durch Konzerte und das ihm stets verhasste Unterrichten, zur Aufbesserung seiner Mittel gezwungen. Seit jener Zeit zogen sich Schulden und ständige Geldnöte als roter Faden durch seine Biographie. Eine unseliger Hang zum Glücksspiel und überzogener Lebenstil verschärften die Sorgen und führten 1864 auch zum Bruch seiner intimen Beziehung zu Clara Schumann.

Ab 1862 versuchte sich Kirchner als Dirigent in Zürich, ohne jedoch Fuß fassen zu können. Der kompositorische Ertrag der Schweizer Jahre ist (bis zum op. 13 reichend) eher gering. Dafür schloss Kirchner in Zürich seine Lebensfreundschaft mit Brahms, stand in Kontakt mit Wagner, Hegar und Billroth, und ging eine wenig glückliche Ehe mit der Sängerin Maria Schmidt ein, aus der 3 Kinder hervorgingen.

1872 zog Kirchner für ein Jahr als Musiklehrer der Prinzessin Amalie nach Meiningen, um dann als Direktor der Musikschule in Würzburg (1873-1876) gänzlich zu versagen. Die kümmerlichen Jahre als Klavierlehrer in Leipzig (1876-1883) brachten eine reiche Ernte an Originalwerken und meisterhaften Bearbeitungen, wohl auch der finanziellen Not gehorchend. Eine Anstellung als Lehrer für Partitur- und Ensemblespiel am Konservatorium in Dresden ab 1883, war lediglich mit einem Gehalt von monatlich 50 Mark dotiert: nicht mehr als ein Ehrensold. Angesichts der prekären Lage verantalteten seine Hauptverleger 1884 eine Spendenaktion, an der sich neben vielen anderen auch Grieg, Bülow, Hanslick und Reinecke beteiligten. Der Erlös von 30.000 Mark wurde angelegt und Kirchner lediglich der Zins zum Lebensunterhalt ausbezahlt. Wie schon seit Jahren zuvor, wurde Kirchner vor allem von Brahms auch weiterhin diskret finanziell unterstützt. 1890 wandte sich Kirchner (ohne seine Familie) nach Hamburg, wo er, nach mehreren Schlaganfällen gelähmt und fast erblindet im Hause einer Schülerin lebend, am 18. September 1903 starb.

Theodor Kirchner ist d e r Klavierminiaturist der Romantik. Sein mehr als 1000 Einzelstücke zählendes Klavierwerk zeigt einen ans Wunderbare grenzenden Erfindungsreichtum und enthält eine Fülle von rhythmischen Feinheiten und kühnen harmonischen Wendungen. Lange wurde Kirchner, wohl aufgrund mangelnder Werkkenntnis, als Kleinmeister angesehen. Sein Lebenswerk, in dem die Lieder und Kammermusikstücke zahlenmässig und vom Gewicht her, in eine Nebenrolle gedrängt sind, verrät oft genialische Züge und überrascht durch die Vielfalt der Ausdrucksmittel. Johannes Brahms nannte die Musik Kirchners „das Zartetste vom Zarten", was von der Nachwelt lange als Etikett einer schwächlichen und blassen Schumann-Nachfolge mißverstanden wurde. Brahms meinte jedoch vielmehr Intimität und Charakter, Persönlichkeit und eine fast seismographische Fähigkeit Kirchners, feinste Nuancen von Stimmungen und seelischen Zuständen in seinen Werken widerzuspiegeln. Einem Schüler gegenüber äusserte Kirchner selbst gegen Lebensende seinen Wunsch zur Interpretation der Klavierwerke: „Man muß diese Stücke mit samtnen Katzenpfötchen spielen, dann klingen Sie, wie ich es mir vorstelle."

Theodor Kirchners Nachlass wird heute im Brahms-Institut der Musikhochschule Lübeck bewahrt. Die Stadtbibliothek Winterthur verfügt zudem über einen guten Teil seines Briefwechsels. Grössere Bestände an frühen Kirchner-Ausgaben sind heute leider nur noch in wenigen Bibliotheken vorhanden. In den letzten Jahren erschien jedoch eine Anzahl von Neudrucken, von denen besonders die Reihe des Amadeus-Verlages in Winterthur Erwähnung verdient.

 

 

Literatur (Auswahl):

Hofmann, Renate: Clara Schumanns Briefe an Theodor Kirchner mit einer Lebensskizze des Komponisten. Tutzing 1996.

Kirchner-Ehrung 1998 Wittgensdorf. Festschrift zum 175. Geburtstag.

Chemnitz 1998.

Klauwell, Otto: Theodor Kirchner. Ein Grossmeister musikalischer Kleinkunst. Langensalza 1907.

Niggli, Arnold: Theodor Kirchner: Ein biographisch-kritischer Essay.

Leipzig 1888.

Schneider, Peter Otto: Theodor Kirchner in seinen Briefen (1860-1868).

Zürich 1949.

Sietz, Reinhold: Theodor Kirchner. Ein Klaviermeister der deutschen Romantik. Regensburg 1971.

 

 

 

WERKVERZEICHNIS

 

(Die mit * versehenen Werke sind, z.T. in Auswahl, als Neudruck erhältlich)

Werke für Klavier zu 2 Händen Streichquartette
Werke für Klavier zu vier Händen Orgelwerke
Werke für 2 Klaviere Lieder
Werke für Klavier und ein Instrument Chorlieder
Werke für Klaviertrio Bearbeitungen
Klavierquartett  

 

 

Werke für Klavier zu 2 Händen:

Op.2 10 Klavierstücke. 1852.

Op.5 Grüsse an meine Freunde. 5 Klavierstücke. 1855.

Op.7 Albumblätter. 9 kleine Stücke. 1856.*

Op.8 Scherzo. 1857.

Op.9 Präludien. 1859.*

Op.11 Skizzen. Kleine Klavierstücke. 1870-1872.*

Op.12 Adagio quasi fantasia. 1870.*

Op.13 Lieder ohne Worte. 7 Stücke. 1872.

Op.14 Fantasiestücke. 1873.

Op.16 Kleine Lust- und Trauerspiele. 12 Klavierstücke. 1873.

Op.17 Neue Davidsbündlertänze. 12 Charakterstücke. 1872.

Op.18 Legenden. Dichtungen. 1876.*

Op.19 Zehn Klavierstücke nach eigenen Liedern. 1876.

Op.21 Aquarellen. 1875.

Op.22 Acht Romanzen. 1875.

Op.23 Walzer. 1876.*

Op.24 Still und bewegt. 1876.

Op.25 Nachtbilder. 10 Charakterstücke. 1877.*

Op.26 Album. 12 kleine Stücke. 1877.

Op.27 Capricen. 1877.

Op.28 Notturnos. 1877.

Op.29 Aus meinem Skizzenbuch. 6 Stücke. 1877.

Op.30 Studien und Stücke. 1877.

Op.31 Im Zwielicht. Lieder und Tänze. 1878.

Op.32 Aus trüben Tagen. 10 Stücke. 1878.

Op.33 Ideale. 1878.*

Op.34 Walzer. 1878.

Op.35 Spielsachen. 14 leichte Klavierstücke. 1878.*

Op.36 Fantasien am Klavier. 1878.

Op.37 Vier Elegien. 1878.

Op.38 Zwölf Etüden. 1878.

Op.39 Dorfgeschichten. 14 Klavierstücke. 1879.

Op.41 Verwehte Blätter. 6 Klavierstücke. 1879.

Op.42 Mazurkas. 1879.

Op.43 Vier Polonaisen. 1879.

Op.44 Blumen zum Strauß. 10 Klavierstücke. 1879.

Op.45 Sechs Klavierstücke. 1879.

Op.46 Dreissig Kinder- und Künstlertänze. 1879.

Op.47 Federzeichnungen. 9 kleine Stücke. 1880.

Op.48 Sechs Humoresken. 1880.

Op.49 Neue Albumblätter. 20 Charakterstücke. 1880.*

Op.51 An Stephen Heller. 12 Klavierstücke. 1880.

Op.52 Ein neues Klavierbuch. 1880.

Op.53 Florestan und Eusebius. Nachklänge. 1881.

Op.54 Zweites Scherzo. 1881.

Op.55 Neue Kinderscenen. 1881.*

Op.56 In stillen Stunden. 10 Klavierstücke. 1881.*

Op.60 Plaudereien am Klavier. 1882.

Op.61 Charakterstücke. 1882.

Op.62 Miniaturen. 15 leichte Stücke. 1882.*

Op.64 Gavotten, Menuetten und lyrische Stücke. 1883.

Op.65 Sechzig Präludien. 1882.

Op.70 Fünf Sonatinen. 1883.

Op.71 Hundert kleine Studien. 1883.

Op.72 Stille Lieder und Tänze. 1883.*

Op.73 Romantische Geschichten. 20 Klavierstücke. 1883.

Op.74 Alte Erinnerungen. 12 Stücke. 1885.

Op.75 Neun Klavierstücke. 1885.

Op.76 Reflexe. 6 Walzer. 1886.*

Op.77 Polonaise, Walzer und Ländler. 1885.

Op.78 Les Mois de l‘ année. 12 kleine Klavierstücke im Kabinettformat. 1886.

Op.80 Albumblätter. Neue Folge. 9 kleine Klavierstücke. 1887.

Op.82 Gedenkblätter (1843-1887). 12 Musikstücke. 1888.

Op.83 Bunte Blätter. 12 Stücke. 1888.

Op.87 Acht Notturnos. 1889.

Op.88 Aus der Jugendzeit. 10 kleine Stücke. 1889.

Op.96 Confidences. Suite de dix-huit pièces. 1893.

Op.101 Erinnerungsblätter. 4 kleine Stücke. 1894.*

Op.104 Walzer. 1894.

Op.105 36 rhythmische und melodische Etüden. 1896.

Op.106 Vorbereitungsstudien. 1896.

O.Op. Stücke für Enkel. 13 kleine Stücke. 1881.*

O.Op. Lieblinge der Jugend. 30 kleine Stücke. 1883

O.Op. Diana und Mars. 14 Charakterstücke. o.J.

 

Werke für Klavier zu vier Händen:

Op.57 Zwölf Originalkompositionen. 1881.

Op.94 Zwei Märsche. 1890.

O.Op. Alte Bekannte im neuen Gewande. 1887.

O.Op. Deutsche Walzer, frei bearbeitet. o.J.

 

Werke für 2 Klaviere:

Op.85 Variationen über ein eigenes Thema. 1888.

Op.86 Sieben Walzer. 1888.

O.Op. Polonaise. 1881.

 

Werke für Klavier und ein Instrument:

Op.63 Schlummerlied und Romanze mit Violine. 1883.

Op.79 Acht Stücke mit Violoncello. 1886.

Op.90 Zwölf Fantasiestücke mit Violine. 1890.*

 

Werke für Klaviertrio:

Op.15 Ein Gedenkblatt. Serenade. 1874.

Op.58 Klaviertrios. Skizzen. 1882.*

Op.59 Noveletten. 1881.*

Op.78 Bunte Blätter. 1886.*

Op.97 2 Terzette. 1893.*

O.Op. Serenade E-dur. 1879.

 

Klavierquartett:

Op.84 Klavierquartett c-moll. 1888.*

 

Streichquartette:

Op.20 Streichquartett. 1874.*

O.Op. Nur Tropfen. Ganz kurze Stücke für Streichquartett. 1903.*

 

Orgelwerke:

Op.89 Orgelkompositionen. 1893.

Op.91 Zwei Vortragsstücke mit Violine. 1890.*

Op.92 Zwei Tonstücke mit Violoncello. 1890.*

 

Lieder:

Op.1 Zehn Lieder. 1843

Op.3 Mädchenlieder. 1852.

Op.4 Vier Lieder. 1852

Op.6 Vier Lieder. 1855.

Op.10 Zwei Könige. Ballade. 1861.

Op.40 Drei Gedichte. 1879.

Op.50 Sechs Lieder. 1880.

Op.67 Liebeserwachen. 1883.

Op.68 Nähe des Geliebten. 1882.

Op.81 Sechs Lieder. 1888.

Op.95 Ich wandere durch die stille Nacht. 1890.

Op.102 Heinrich in Canossa. Ballade. 1894.

Op.103 Ein schöner Stern geht auf. 1894.

 

Chorlieder:

Op.69 Vier Gedichte von Goethe. 1882.

Op.93 Volkslieder für gemischten Chor. 1889.

 

Bearbeitungen:

Kirchner legte eine Vielzahl von (Klavier-)Bearbeitungen, vor allem von Werken Schumanns und Brahms‘, vor. Ferner arrangierte er u.a. Stücke von Beethoven, Dvorak, Franz, Grieg, J.Haydn, Heller, Jensen, Mozart, Schubert und Tschaikowsky. Der Rahmen reicht, je nach Vorlage, von zweihändigen Fassungen bis zu solchen für 2 Klaviere achthändig. Eine Kostbarkeit von besonderem Rang sind seine Einrichtungen der Schumannschen Pedalflügelstudien und der Streichsextette von Brahms, jeweils für Klaviertrio.

 

 

 

Diskographie (CD-Auswahl)

Klavierwerke:

Stücke op.2; Romanzen op.22 / Sound Star-Ton SST 30216

Adagio op.12; Legenden op.18; Nachtbilder op.25; Ideale op.33 / Marco Polo 8.225062

Präludien op.9; Adagio op.12; / Aulos PRE 66019

Präludien op.9; Lieder ohne Worte op.13 / Jecklin-Disco JD 618-2

Scherzo op.8 / Migros-Genossenschaftsbund MGB CD 6153

Neue Davidsbündlertänze op.17 / Musikprod. Dabringhaus & Grimm MDG 313 0389-2

Sonatinen op.70 / Etcetera KTC 2022

25 Ausgew. Klavierstücke / Bayer Records BR 100 076

9 Ausgew. Klavierstücke / Genesis GCD 108

Walzer op.86 / Fono Münster FCD 91 015

 

Kammermusik:

Noveletten op.59 / Aulos PRE 66015

Stücke op.79 / Audite 368.414

Brahms: Streichsextette opp. 18 und 36, für Klaviertrio bearb. / Koch-Schwann 3-1365-2 H1;

Novalis 150056-2

 

Lieder:

4 Lieder aus op.1 / Tacet LC 7033

 

Orgelwerke:

Tonstücke op.92; Stücke aus op.89 / Gallus 573211

 

 

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Letzte Aktualisierung: 18. Februar 2011 .